PopPress                                                              Dr. Michael Popovic                     Familienforschung Kulturgeschichte                             Publikationen
 

2018: Böhmische Achter – Bedeutende Zahlen, Fakten und Mystik

Das kommende Jahr 2018 gibt Anlass sich daran zu erinnern, dass für Böhmen und Tschechien die Achter-Jahre immer wieder Grund zu Reflexionen sind. In der Zeitschrift „Der Ackermann“ (Oktober – Dezember) 2017 war zu lesen: „Im kommenden Jahr stehen erneut zahlreiche runde Jahrestage aus der Geschichte der böhmischen Länder an. Werden diese Jubiläen Deutsche und Tschechen trennen oder enger zueinander führen? „Der Ackermann“ stellt daher die Frage: „Haben Sie Angst vor der böhmischen 8?““[1]

Und vor zehn Jahren stellte Thomas Kirschner in Radio Prag fest: „Ob die Acht in der tschechischen Geschichte eine Glücks- oder Unglückszahl ist, das lässt sich nicht leicht entscheiden. Sicher aber ist sie eine Schicksalszahl.“[2]

Dies möchte ich zum Anlass nehmen entsprechende 8er-Ereignisse aufzuführen, die für das Herzland Europas von Bedeutung waren.

Die böhmische Zahlenmystik fängt vor 910 (neunhundertzehn) Jahren an mit dem Jahr 1108, mit der Ermordung der Vršovci, der Konkurrenten der Přemysliden-Dynastie. Auf Befehl Herzog Svatopluks II. wurden die Vršovci 1108 niedergemetzelt. Anlass war die Beschuldigung, einer ihrer Führer namens Mutina habe insgeheim mit Polen paktiert und damit Landesverrat begangen.[3]

Die Schlacht bei Dürnkrut und Jedenspeigen am 26. August 1278 – auch als Schlacht auf dem Marchfeld bekannt – wurde um das Erbe der Babenberger geschlagen. Sie gilt als eine der größten Ritterschlachten Europas. Rudolf I. von Habsburg, der am 1. Oktober 1273 zum römisch-deutschen König gewählt worden war, stellte sich hier erfolgreich Přemysl Ottokar II. entgegen. Dies war der Beginn der 640-jährigen Habsburger-Herrschaft in Böhmen, Grundstein für die Dynastie der Habsburger im Bereich des heutigen Österreich.

Epochemachende Achter-Jahre waren auch die Gründung der Karls-Universität nach dem Vorbild der Pariser Universitas magistrorum et scholarium als „Studium generale“ und erste Universität im östlichen Mitteleuropa am 7. April 1348 durch einen Stiftungsbrief Karls IV. („Alma Mater Carolina“).

Ab dem Jahr 1348 wurde auch die Prager Neustadt, die historische Innenstadt Prags unter Kaiser Karl IV. (römisch-deutscher König, König von Böhmen, König von Italien und römisch-deutscher Kaiser) errichtet. Prag war damals die Hauptstadt des Königreichs Böhmen und des römisch-deutschen Kaiserreichs.

Am 23. Mai 1618 beginnt mit dem Prager Fenstersturz der Dreißigjährige Krieg.

1848 erschüttert die Revolution auch die Böhmischen Länder, worauf im Folgenden noch einzugehen ist. Hier nur kurz: Vom 2. bis 12. Juni 1848 fand der erste Panslawistenkongress in Prag statt. Ihm folgte der Prager Pfingstaufstand vom 12. bis zum 17. Juni 1848 tschechischer Nationalisten. Er wurde von den Truppen unter Alfred Fürst von Windischgrätz niedergeschlagen.

Am 22. 7. 1848 wurde erstmals der Habsburger Reichstag mit 383 Delegierten aus Österreich und den slawischen Ländern in Wien konstituiert.

Ebenfalls nur kurz erwähnt sei, dass am 31. März 1848 in der Frankfurter Paulskirche ein Vorparlament zusammentrat, um unter anderem Wahlen für eine Deutsche Nationalversammlung vorzubereiten. Während die Deutschböhmen die Einigung Deutschlands unter österreichischer Führung befürworteten, hatten die Tschechen Bedenken, in einem deutschen „Meer“ unterzugehen, auch wenn es eine freiheitliche Verfassung hätte. Dem wurde das „mare bohemicum“ gegenübergestellt. Insbesondere lehnte es František Palacký schriftlich ab, der Einladung in die Paulskirche zu folgen.

Die Grundsteinlegung zum Tschechischen Nationaltheater erfolgte am 5. Mai 1868 in Prag. Am 16. Mai 1868 wurde der Baubeginn in Anwesenheit von 100.000–150.000 Zuschauern gefeiert, dessen Höhepunkt die Uraufführung der Oper Dalibor von Bedřich Smetana für geladene Gäste bildete. Dies markiert einen besonderen Höhepunkt im erwachenden tschechischen Nationalbewusstsein.

Das Neue Deutsche Theater, heute Státní opera Praha (Staatsoper Prag) wurde 1888 gegründet und 1938 vom NS-Regime aufgelöst. Von 1945 bis 1948 wurde es als Divadlo 5. května (Theater des 5. Mai) wieder in Betrieb genommen.

1908 wurde auch in Böhmen noch das 60-jährige Thronjubiläum des hochbetagten Kaisers Franz Joseph I. gefeiert.

Am 28. Oktober 1918 wurde im Prager Gemeindehaus von Vertretern vier tschechischer Parteien der tschecho-slowakische Staat ausgerufen.

Eine Gruppe slowakischer Politiker proklamierte am 30. Oktober 1918 in der so genannten Martiner Deklaration den Anschluss der Slowakei an den neuen Staat. Dieser erfolgte bis zum 24. Juli 1919 gegen den politischen und militärischen Widerstand der neu gegründeten Demokratischen Republik Ungarn.

Das Münchner Abkommen vom 29. September 1938 hatte weitreichende Folgen: Am 1. Oktober 1938 besetzen deutsche Truppen das Sudetengebiet. Die tschechoslowakische Armee zieht sich beim Einmarsch der Deutschen kampflos aus ihren gut ausgebauten Verteidigungsstellungen zurück, es fällt kein einziger Schuss - bis heute ein nicht überwundenes Trauma der tschechischen Geschichte. Gefällt hat die Entscheidung der Armeegeneral Jan Syrový, der im Herbst 1938 die tschechoslowakische Regierung führte.

Am 31. Oktober 1938 erließ Hitler eine Richtlinie über die endgültige Liquidierung der Tschechoslowakei und die Abtrennung der Slowakei. Diese Richtlinie wurde dann in der Folge verwirklicht. Am 2. November verlor die Slowakei durch den Ersten Wiener Schiedsspruch etwa ein Drittel des Staatsgebietes an Ungarn.

Außenminister Jan Masaryk erlitt am 10. März 1948 beim sogenannten dritten Prager Fenstersturz tödliche Verletzungen. Heute scheint es gesichert, dass die kommunistische Geheimpolizei Jan Masaryk ermordete, bzw. den Sturz aus dem Fenster des Außenministeriums im Palais Czernin durchgeführt hat.

Die Regierung Klement Gottwald II, geführt vom Ministerpräsidenten Klement Gottwald, war vom 25. Februar bis zum 15. Juni 1948 im Amt. Ihre Amtseinführung, die als der Februarumsturz in die Geschichte einging, markiert die Vollendung der kommunistischen Machtübernahme in der Tschechoslowakei. Ihr folgte die Regierung Antonín Zápotocký, von 15. Juni 1948 bis 21. März 1953.

Am 21. August 1968 wurde dem „Prager Frühling“ durch den Einmarsch von Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei ein Ende gesetzt.

 

Bei diesen historischen 8er-Zahlen möchte ich Besonderheiten erwähnen, die auch die Geschichte meiner Vorfahren betreffen:

Die Deutsche Revolution von 1848/49, insbesondere die Märzrevolution von 1848 nahm in den Ländern des Deutschen Bundes einen sehr unterschiedlichen Verlauf mit deutlichen politischen Unterschieden zu den Revolutionen im Kaisererreich Österreich und dem Königreich Ungarn. Besondere Bedeutung wegen panslawistischer Ziele hatten die Revolutionen in Prag, Wien und Budapest; sie hatten auch andere Folgen.

Vom 2. bis 12. Juni 1848 hatte der ersten Panslawistenkongress in Prag stattgefunden. Die Aufständischen des Prager Pfingstaufstandes vom 12. bis zum 17. Juni 1848 verlangten die Unabhängigkeit der slawischen Kronländer von der österreichischen Monarchie – ähnlich wie dies zuvor bereits von ungarischen Revolutionären für ihre eigenen nationalen Interessen artikuliert worden war. Dies war ein Höhepunkt der Revolution von 1848 im damals österreichischen Kronland Böhmen. Es handelte sich dabei um einen Aufstand tschechischer Nationalisten gegen das Kaisertum Österreich. Österreichische Truppen unter dem Befehl von Alfred Fürst von Windischgrätz schlugen den Aufstand innerhalb weniger Tage nieder.

Der Riss ging damals bereits durch die Bevölkerung, Gesellschaft und Familien: Böhmen deutscher und slawischer Zunge verfeindeten sich. Dies war ein Meilenstein des Nationalitätenstreits mit unsäglichen Folgen. Der Riss ging auch durch die Familie meiner Vorfahren:

Der 22-jährige Medizinstudent Antonin Mertlík (1826 – 1896), Sohn des Chirurgen und Feldschers Antonin Mertlík (1793 -1878) aus Nahořany/Ostböhmen und ein Kommilitone mussten wegen der Beteiligung am Prager Aufstand nach Italien fliehen und konnten erst Jahre später das Medizinstudium in Prag abschließen. 

Am 13. März 1848 brach die Revolution in Österreich aus, woran vor allem nationalistische Slawen und Ungarn beteiligt waren. Die „Wiener Oktoberrevolution“ 1848.

Am 23. Oktober wurde Wien von konterrevolutionären Truppen, die aus Kroatien (unter dem Banus Joseph Jellačić) und aus dem böhmischen Prag (unter Feldmarschall Alfred Fürst zu Windischgrätz) angerückt waren, eingeschlossen. Am 26. Oktober begann das österreichische und kroatische Militär mit der Beschießung Wiens. Nach einer Woche wurde Wien gegen den heftigen, aber aussichtslosen Widerstand der Wiener Bevölkerung von den kaiserlichen Truppen wieder eingenommen und die Innere Stadt am 31. Oktober erstürmt.

Die kroatischen Truppen waren die reichsunmittelbaren, vom Deutschen Bund finanzierten Grenzregimenter von der Militärgrenze. Diese sicherten das Heilige Römische Reich Deutscher Nationen gegen Angriffe der Osmanen ab. In dieser Elitetruppe, 8. Gradiskaner Grenzregiment, dienten auch meine namensgebenden Popović-Vorfahren aus Rajic bei Neu Gradiska als Offiziere.

1848 wurde erstmals der Habsburger Reichstag konstituiert: Er wurde am 22. 7. 1848 von Erzherzog Johann eröffnet, am 22. 10. nach Kremsier verlegt und am 7. 3. 1849 aufgelöst. Sein wichtigstes Gesetz war die Aufhebung des Feudalstaats mit dem Ende der Grunduntertänigkeit und der Bauernbefreiung.

Mein dreifacher Urgroßvater war 1848/1849 Abgeordneter dieses Reichstages: Wenzel Kaulich (1790 – 1869), Handelsmann und Grundbesitzer, Braunau in Böhmen.

       

[1] Der Ackermann, Zeitschrift der Ackermann-Gemeinde. 68. Jahrgang / München Oktober - Dezember 2017 / Heft 4, Standpunkte: „böhmische 8“, S. 8 

[2] Achtung Acht! Tschechien und die Achter-Jahre. Thomas Kirschner, 05.01.2008 Tschechischer Rundfunk 7, Radio Prag. URL: http://www.radio.cz/de/rubrik/geschichte/achtung-acht-tschechien-und-die-achter-jahre-1 

[3] Johann Heinrich Zedler: Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste. Band 59, Leipzig 1749, Spalte 683